HIER IST DER SEHR GUTE TEXT EINER KOLLEGIN, DEN ICH HIER REBLOGGE UND ZWAR AUS DEM GRUND, DASS IHR BLOG BEI FACEBOOK AUF EINMAL GESPERRT IST. ANSCHEINEND WAR ER ZU ERFOLGREICH, OHNE DABEI EINEN HAUFEN GELD AN FACEBOOK FÜR WERBUNG ABZUDRÜCKEN. ALSO WAS MACHT FACEBOOK DANN? BEZEICHNET IHREN LINK ALS NICHT SICHER UND SCHON IST ES VORBEI MIT DEM TEILEN – ZENSUR AUS DEM NIEDRIGSTEN ALLER MOTIVE – GELD. EIN KONZERN VERHINDERT DEN ERFOLG EINER EINZELNEN, WEIL SIE KEIN WEGEGELD ZAHLT …

HIER ALSO DER TEXT AUS DEM BLOG https://zaubertinte11.wordpress.com

 

Paradox: Es gibt Künstler, Musiker und Autoren, die Texttafeln wie »I am an artist, that does not mean I work for free« herumreichen und gleichzeitig genau das machen: gratis arbeiten. Warum?

Tasten wir uns an die Antwort ran. Eines der vielen Plaisirs in diesem manchmal surrealen Jetzt-Dingens ist unsere Fähigkeit, überragende Kunst und Kultur zu erschaffen. Musik, Geschichten, Metaphern für so ziemlich jede Lebenslage. Ohne Literatur, Kunst und Musik wären wir als Spezies nur vier Chromosomen vom Schlammspringer entfernt. Durch die künstlerische Interpretation dessen, was wir Realität nennen und die damit verbundenen starken Emotionen sind wir in der Lage, das Jetzt-Dingens zu erfahren. Ein wunderbares Geschenk. Sollte man meinen.

Derzeit mutiert ein Teil der Bevölkerung heftig in Richtung Schlammspringer, statt sich auf seine kulturellen Werte zu besinnen. Da gibt’s Menschen, die für ein Grillhendl maximal 1,99 ausgeben wollen, sich aber eine Stunde später bei Facebook über Hühnerqualzucht echauffieren. Oder Menschen, die wortreich darlegen, warum die Mainstream-Medienlandschaft ein Verdummungsinstrument sei, den Mist aber täglich konsumieren. So weit, so Schlammspringer.

Doch es geht noch absurder. Jetzt sind wir bei den eingangs erwähnten Künstlern, die gratis arbeiten und sich gleichzeitig darüber beschweren, dass von Künstlern Gratisarbeit gefordert wird.

Der Balanceakt zwischen eigenen Projekten und Auftragsarbeit

Im Zuge der gutmenschigen Gleichmacherei haben leider viele Kreative verlernt, gesund zu kalkulieren. Okay, der Satz geht schöner, tschuldigung;-) Nochmal. Ich kenne nicht einen einzigen hauptberuflichen Musiker, Schriftsteller oder bildenden Künstler, der neben seinen bezahlten Gigs nicht mindestens ein persönliches Herz-und-Seele-Projekt realisiert, das er selbst finanziert. Eines, das keine kommerziellen Anforderungen und kein Briefing zu erfüllen hat, sondern eine persönliche Vision erfüllt und mit eigener Arbeitszeit, Material und eigenem Geld verwirklicht wird. Damit das geht, ohne insgesamt ins Minus zu rutschen, muss ein Künstler den Balanceakt zwischen bezahlten Aufträgen und solchen eigenen Projekten beherrschen. Sprich, einerseits unabhängige Kunst zaubern und andererseits geschäftstüchtig genug sein, um bezahlte Gigs mit ebensoviel Spaß professionell und sauber abliefern zu können. Und genau hier klemmt’s.

Statt dieser klaren Trennung hat sich eine Grauzone etabliert, in der allerlei Ungutes wuchert. Zum Beispiel die elf häufigsten Chiffren für Angebote, die man unter allen Umständen ablehnen sollte. Weil sie die o.g. Balance unmöglich machen. Diese Liste ist übrigens gratis. Zum Ausdrucken und An-den-Kühlschrank-heften. Damit hinterher keiner behaupten kann, er habe von nichts gewusst.

#1: »Wir haben jetzt kein Budget für Text/Musik/Grafik, aber wenn’s gut läuft, könnten wir in Zukunft …« Diese Anmoderation ist ein Grund, das Gespräch abzubrechen und sich mit »Kein Problem, ihr kennt ja jetzt meine Konditionen, meldet euch einfach, wenn ihr das Budget habt« zu subtrahieren. Vergiss nicht: einmal gratis, immer gratis. Es ist so gut wie unmöglich, sich innerhalb einer Geschäftsbeziehung von Nullniveau zu einem angemessenen Honorar hochzuschaffen. Warum auch? Sie wissen ja, wie tief sie Dich drücken können, warum also sollten sie Deine Honorarforderung künftig ernst nehmen?

#2: »Wir haben da mal einen Copytest vorbereitet.« Hahahahahaha! In dem Test geht’s nicht zufällig um Headlines, Claims oder Bannertexte für ein Produkt, das, huch? aus dem aktuellen Portfolio eines Agenturkunden stammt? Natürlich ist ein Copytest grundsätzlich eine feine Sache, und zwar bei der Auswahl von Nachwuchstextern und Texttrainees, die noch keine Arbeitsbeispiele vorweisen können. Aber Bewerber für eine Seniortexter-Stelle oder erfahrene Freelancer behelligt man im Jahr 2015 nicht mit sowas. Ein seriöses Art Buying kann die Kompetenzen eines Kreativen anhand seiner Mappe, Website und Referenzen beurteilen und/oder im Rahmen eines ersten gemeinsamen Projekts. Selbstverständlich zu angemessenen Konditionen.

#3: »Für Redemanuskript (Vortrag, Gig, Eventdesign, Fotoshooting) gibt’s leider kein Geld, aber du triffst wichtige Leute für dein New Business!« Wie ernst nehmen wohl diese »wichtigen Leute« jemanden, der für lau arbeitet? Moment, die wissen das doch gar nicht, entgegnest Du hier vielleicht. Doch, mein Lieber. Sie wissen es immer. Überschätze Deine schauspielerischen Talente nicht. Jemand, der sich zu Gratisarbeit breitschlagen lässt, kann noch so souverän tun, er hat dennoch stets die Ausstrahlung eines Menschen, der, tadaaaa, gratis arbeitet. Und das ist nun mal eine andere Rüberkomme als die von jemandem, der für seine Arbeit anständig bezahlt wird. Naturgesetz. Kannste nix gegen machen.

#4: »Das ist eine tolle Werbung für dich!« Der Klassiker. Den ich übrigens mal bei unserem Dachdecker ausprobiert habe. »Hey, wenn du unser Dach neu machst, sieht man deine Arbeit sogar aus dem Weltall und bei Google Earth. Das ist eine tolle Werbung für dich.« Seine Reaktion hätte ich am liebsten gefilmt und zu Youtube gestellt. Leider wollte er dafür Gage, der schlaue Fuchs.

#5: »Das ist ein Literaturwettbewerb. Preisgeld gibt’s keins, aber dein Beitrag kommt in eine Anthologie …« … und von der bekommt der glückliche Gewinner sogar 50 Exemplare mit Autorenrabatt. Ist das nicht toll? Nein, ist es nicht. Es ist ein verkapptes Druckkosten-Zuschuss-Modell. Literaturwettbewerbe können eine reizvolle Herausforderung sein. Die dabei entstehenden Anthologien enthalten oft sehr interessante und ungewöhnlcihe Beiträge. Ich war auch schon in solchen vertreten. Und im Gewinnfall dient ein Literaturpreis auch mal als hübsche Egopolitur. Aber in irgendeiner Weise dotiert sollte er doch bitte sein.

#6: »Deine Arbeit wird gesehen, du erreichst hier ein großes Publikum!« Wenn das Publikum soooo groß ist, warum ist dann das Budget so klein, dass keine Bezahlung für die Kreativen drin ist?

#7: »Wir müssen erstmal sehen, wie es läuft. Beim zweiten Job gibt’s dann auch Geld.« Umgekehrt wird ein Schuh draus. Es soll gut laufen? Guter Plan. Dann muss die Kreativenleistung professionell und makellos sein. Und die hat nun mal ihren Preis. Sonst läuft’s nun mal leider nicht.

#8: »Das ist für einen guten Zweck, wie kannst du da Geld verlangen?« Heikles Thema. Unbedingt aufs Bauchgefühl hören und im Zweifelsfall die Gegenprobe machen: Bestehe auf deinem üblichen Honorar und biete an, dieses abzüglich Sprit und Verpflegung an den genannten Spendenempfänger zu überweisen. Die Reaktion auf diesen Vorschlag verrät Dir, ob es dem Veranstalter wirklich um die Sache geht oder ob da jemand eventuell nur im Windschatten eines »guten Zwecks« segelt.

#9: »Machst du das echt wegen der Kohle? Ich dachte, du liebst deine Kunst!« Diese Unverschämtheit darf man sich auf der Zunge zergehen lassen wie eine gefrorene Himbeere. Dahinter steht eine Durchtriebenheit, die kaum zu unterbieten ist und das Gegenüber als Gesprächspartner disqualifiziert. Leider springen viele Kreative über dieses Stöckchen und fangen an sich zu rechtfertigen. Ganz schlecht. Und völlig sinnlos. Bitte kommentarlos aufstehen und gehen.

#10: »Natürlich bezahlen wir euch! Vom eingespielten Gewinn nach Abzug aller Kosten bekommt ihr 25 Prozent.« Finde den Fehler;-)

#11: »Ich hab gehört, du machst es auch für weniger …« Dachtest Du wirklich, es kommt nicht raus, dass Du den letzten Job für lau gemacht hast? Oder Deine hochqualifizierte Bild- oder Schreibkunst anonym bei einer Online-Agentur für obszön niedrige Centbeträge verhökerst? Es kommt immer raus. Überleg Dir gut, ob DAS der Ruf ist, den Du Dir in Deiner Branche erarbeiten willst.

Und nun die Preisfrage: Warum machen die das?

It takes two to tango. Mit »die« sind beide Beteiligten gemeint. Verwerter auf der einen Seite und Kreative auf der anderen. Verlage, Veranstalter, Agenturen und Unternehmen sind eigentlich aus der nummer raus, denn ihnen kann man direkt keinen Vorwurf machen. Sie dürfen genau so lange auf Gratisarbeit und Billig-Kreationen hoffen, wie es Kreative gibt, die sich dafür hergeben. Wenn das aufhört, sind die Profiteure schneller vom Markt verschwunden als sich »Werksvertrag« und »Honorarvereinbarung« buchstabieren lassen.

Das wahre Warum: der Hab-mich-lieb-Komplex

An dieser Stelle tut’s jetzt ein bisschen weh. Aber da musst Du durch. Die Antwort auf das leidige Warum ist nämlich so einfach wie zentnerschwer: Du machst es, weil Du Angst hast, nicht geliebt zu werden. Gib es zu. Du glaubst, dass Du eine angemessene Bezahlung nicht verdienst und das Einfordern von Geld für Spannungen, Konflikte oder »Liebesentzug« sorgen könnte. Und überhaupt, ein Künstler hats halt nun mal schwer. Gehört dazu. Der nagt ständig am Hungertuch. Hat ja auch was, dieses bohèmenhafte grade-so-über-die-Runden-kommen. Man kann so schön jammern auf Parties. Und auf das Kapital schimpfen. Auf die reichen Bonzen, die bösen Verlage, die schlimmen Veranstalter. Gähn.

Tortured Artist? Sorry, nicht sexy.

Kein seriöser Auftraggeber würde jemandem, der so ein würdeloses Selbstbild hat, ein anständiges Budget anvertrauen. Und was am schlimmsten ist: Die mimimimi-alle-böse-Einstellung führt auf Dauer dazu, dass Du immer schlechter in Deiner künstlerischen Disziplin wirst. Opferhaltung frisst Kreativität. Irgendwann sitzt da kein kreatives Energiebündel mehr, sondern ein verbitterter Zausel, mit dem keiner mehr arbeiten will. Willst Du das sein?

Mal Hand aufs Herz: Warum arbeitest Du gratis? Du als talentierter Autor, Musiker, Künstler, Texter, Fotograf, Schauspieler, Designer? Du weißt genau, dass Deine Arbeit für potenzielle Kunden und Auftraggeber ein geldwerter Vorteil ist, der den Betrag auf Deiner Honorarrechnung weit übersteigt. Warum gibst Du also Deine Arbeit für lau raus? Statt den Rücken grade zu machen und Dir Auftraggeber zu suchen, die Deine Leistung wertschätzen und anständig bezahlen? Oder andersrum gefragt: Wie kannst Du von einem Auftraggeber erwarten, dass er Deine kreative Leistung als einen hohen Wert betrachtet, wenn Du selbst es nicht machst?

Du kennst sicher den Spruch: DU bist der Stau. Und findest ihn witzig. Findest Du es auch witzig, wenn ich Dir jetzt sage, dass DU derjenige bist, der Gratisarbeit erst möglich macht? Klar, die pöhsen Verwerter sind diejenigen, die davon profitieren. Das können sie aber nur, wenn jemand liefert. q.e.d.

© Kathrin Elfman 2015. Nachdruck, auch auszugsweise, nur nach schriftlicher Genehmigung! Rebloggen ausdrücklich erlaubt;-)

 

 


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